Der
neue Mensch
Richard Huelsenbeck
Der neue Mensch hät folgende Rede
an seiner Jünger und Zuhörer: Suchet euch einen Mittelpunkt für euer Leben
und beginnet wieder and die großen Eigenschaften der Heiden zu glauben.
Wo is euer Plutarch, aus dem ihr lernen könnt, was es heißt für geistige
Dinge zu sterben? Warum rührt es euch nicht zu Tränen, wenn ihr von den
Märtyrern lest, die sich für ihre Überzeugung rädern ließen - warum habt
ihr keinen Begriff von der Schönheit und dem Mut einer Jeanne d'Arc, warum
fallt ihr nicht auf dem belebten Platz auf die Knie wie Easkolnikow und
schreit: Herr, Herr, schaue auf mich herab, ich bin ein sündiger Mensch.
Ihr habt kein Verhältnis zu den Dingen, ihr seht über die kleinen Dinge
hinweg zu großen fiktiven Bergen - ihr sucht den Heiland in aller Welt und
denkt nicht an euererz, das in ängstlicher Brust der Erlösung entgegenschlägt.
Warum denkt ihr nicht an den Tod - jenen großen allmächtigen Tod, den Tod
der spanischen Stierarena, den Tod der antiken Relife, den Tod der Cholera
und Beulenpest - warum denkt ihr nicht an ihn, der die Glieder auseinanderreißt
und die Familienmitglieder in Mordsucht aufeinanderhetzt? Warum denkt ihr
an nichts, wasdie Welt groß und fruchtbar macht? Wie? Seid ihr nicht klüger
als der kleinste Medizinstudent und naturwissenschaftliche Figurant, der
eine physiologische Angelegenheit aus dem Leben der heiligen Mutter macht?
Der neue Mensch weiß den Tod zu fürchten um des ewigen Lebens willen; denn
er will seiner Geistigkeit ein Monument setzen, er hat Ehre im Leib, er
denkt edeler als ihr. Er denkt: Malo libertatem quam otium servitium. Er
denkt: Alles soll leben - aber einse muß aufhören - der Bürger, der Dicksack,
Der Freßhans, das Mastschwein der Geistigkeit, der Türhüter aller Jämmerlichkeiten.
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